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Waiting for the great leap forwards.

Pop & Politics: Neue Songs von Billy Bragg, Propagandhi und Kettcar

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The sleep of reason produces monsters.

Just als mitten im Sommer sämtliche Playlists durchgenudelt waren und die Streaming-Dienste der Welt mir scheinbar nichts (relevantes) Neues anbieten konnten, ploppten in meinem Browser ein paar erfreuliche Alerts hoch: Es gab frisches Material von alten Helden zu entdecken.

Beginnen wir mit dem Output von Billy Bragg. Der inzwischen recht bärtige Mann von der Insel zählt seit ca. 20 Jahren zu meinen Lieblingssongschreiben und hat mich selten enttäuscht. Nun, wenige Monate vor seinem 60. Geburtstag (der zufälligerweise mein 40. sein wird) hat er mit zwei Singles die Latte noch mal ganz hoch gelegt. In „The Sleep of Reason“ singt er zu herrlicher Garage-Blues-Schrubbel-Gitarre über den bedauernswerten politischen Zustand der anglo-amerikanischen bzw. westlichen Welt und das post-rationale Zeitalter, das wir letztlich alle zu verantworten haben. Im Country-Folk-Hit „King Tide and the Sunny Day Flood“ geht’s derweil um den real existierenden Klimawandel und seine sehr unangenehmen Konsequenzen. Die beste Textzeile (in „Sleep“) lautet übrigens: „The kids are alt right“ (ein Phänomen, dass sich natürlich auch hierzulande beobachten lässt). Jetzt aber endlich zu den Songs:

Ebenfalls taufrisch: Der ordentlich pustende Punk-HC-Metal-Stomper „Victory Lap“ von Propagandhi. Hierbei handelt es sich um einen Vorab-Track zum neuen, gleichnamigen Album der Kanadier, das Ende September erscheinen soll. Im Gegensatz zu Billy, der ja ein harmloser, freundlicher Sozialist ist, tendierte die Crew Winnipeg schon immer mehr in Richtung Anarchie, Veggie-Burger und erhobener Mittelfinger. Anno 2017 scheint sie wütender denn je zu sein. „Victory Lap“ ist jedenfalls eine harte Abrechnung mit Trumpland, Rechtsruck und der schieren Idiotie der Menschheit, wobei mich der Duktus von Sänger und Gitarrist Chris Hannah schon ein bisschen zucken lässt: Er bzw. das „lyrical I“ im Song ranted los über eine Gesellschaft, bei der Hopfen und Malz verloren ist und wendet sich schließlich – aus atheistischer Perspektive natürlich scherzhaft – an einen strafenden Gott, der (zu amtlichen Double-Bass-Geballer) aufräumen soll: „Stomp the citizens of our clown idiot dingbat society.“ Das finde ich schon ein bisschen stumpf. Aber vielleicht habe ich da auch etwas falsch interpretiert. Besser gefällt mir in jedem Fall die Zeile mit Ayn Rand und dem schwer verwundeten Markt-Fundamentalisten. Den kompletten Text könnt ihr hier nachlesen, und so klingt „Victory Lap“:

Der letzte neue Song, den ich hier vorstellen möchte, heißt „Sommer ’89 (Er schnitt Löcher in den Zaun)“ und stammt von der Hamburger Indie-Rock-Formation Kettcar. Die fand ich zwar musikalisch noch nie so toll – was nicht zuletzt an Marcus Wiebuschs monotonem Nuschelgesang liegt – in Sachen Haltung, Integrität und Cleverness darf sie aber als leuchtendes Vorbild gelten. Die Ende letzter Woche erschienene Comeback-Single (Album folgt im Oktober) überzeugt vor allem durch ihren vielschichtigen Text, der von Flüchtlingen, Fluchthelfern und deutschen Verhältnissen erzählt – und dabei eine Menge interessanter Fragen aufwirft. „Sommer ’89“ kommt übrigens absolut passend zur anstehenden Wahl, bei der ja auch Migrationsthemen eine Rolle spielen werden – und erklärte Ausländerfeinde mit soliden Wahlergebnissen rechnen dürfen. Und hier ist das Lied:

P.S.: Wow, schon der zweite Blog-Post dieses Jahr.

Ein Kommentar

  1. Hi Alex!
    Kaum zu glauben, dass Du schon 40 Jahre alt wirst. Ich habe Dich maximal für 38 gehalten. Keine Sorge, das Leben geht ganz normal weiter, auch das geht vorbei. 😉
    Gruß Eric.

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