lxplm.

Waiting for the great leap forwards.

24. September 2021
von Alexander Plaum
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#BTW21 – ein persönlicher Rant

I hold out for consensus / Give the masses the benefit of the doubt
Insist the democratic process / will bear this population out
I think my only fear of death / Is that it may not be the end
We may be eternal beings / And must do all of this again

Übermorgen ist Bundestagswahl. Mir ist ein bisschen schlecht. Es geht um was. Zum Beispiel um die Zukunft meiner Tochter. Also dann: Reduziere ich mal die Einzelkommentare in den sozialen Netzwerken – und packe einen ausführlicheren Text in mein Blog. Vielleicht kann ich ja zwei, drei Menschen positiv beeinflussen. Oder zwei-, dreihundert vergrätzen. In jedem Fall ist das Ganze eine gute Schreibübung und eine Antwort auf die quälende Frage: Welches Wahlergebnis würde mich denn ein bisschen optimistischer weniger pessimistisch stimmen?

Noch eine Bemerkung vorab: Ich stütze meine Takes auf (leicht recherchierbare) Tatsachen, bin aber zu müde, um hier 99 Links zu versammeln, auf die eh niemand klickt. 

Und los geht’s. Mit den Kanzlerkandidat*innen:

Ich finde sie ultimativ alle uncool, wobei ich selbstverständlich noch deutliche Unterschiede wahrnehme. 

Armin Laschet ist zum Beispiel für halbwegs zivilisierte Bundesbürger*innen schlicht unwählbar. Das wissen wir spätestens durch die ausführlichen Analysen erfreulich investigativer YouTuber und tatsächlich noch präsenter Qualitätsmedien. Sogar konservative Promis hadern mit dem Mann. Warum er immer noch auf zweistellige Umfragewerte kommt, erschließt sich nur nach qualvoller Analyse demographischer Daten – und mit verdammt großer Empathie.

Kommen wir zu Olaf Scholz. Der wird aktuell tatsächlich als nächster Bundeskanzler gehandelt und auch von eigentlich progressiven Menschen unterstützt, was mir einigermaßen absurd erscheint. Klar, Scholz ist kein Demagoge, keine absolute Lachnummer und auch nicht so verlogen wie sein Konkurrent von der CDU. Dennoch denke ich, sobald sein Name fällt, vor allem an äußerst halbherzige Umweltpolitik (Vertagung des Kohleausstiegs etc.), unangenehme Sozialpolitik (Original Hartz-IV-Fanboy) und dubiose Finanzgeschäfte (Cum-Ex, Wirecard). Dann ist da noch Scholz‘ krasser Kommentar zum G20-Gipfel: „Es hat keine Polizeigewalt gegeben.“ Oder seine Verantwortung für den tödlichen Brechmitteleinsatz in Hamburg. Dazu das ewige Scholzomat-Gebaren. Seeheimer finden das nice. Bei mir rollen sich die Zehennägel hoch.

Bleibt Annalena Baerbock, bei der ich tatsächlich nicht sofort die Flucht ergreifen muss. Sie wirkt qualifiziert und freundlich. Außerdem ist sie weitgehend skandalfrei. Wobei das mit dem Buch und dem Lebenslauf natürlich kacke und peinlich und absolut unprofessionell war. Aber ich würde ihr diese Patzer verzeihen, denn sie scheint eine menschliche Politikerin zu sein, die die Gesellschaft positiv verändern will. Leider gibt’s da eine andere Sache, die mich arg stört. Baerbocks Auftreten ist mir viel zu unentschlossen und harmlos. Ständig signalisiert sie mir, dass sie im Zweifel doch mit allen koalieren würde (Ausnahme: AfD), statt einfach mal mit Herz und Hirn und Rückgrat für ein ultimativ auch nur sozialdemokratisch-liberal-ökologisches Bündnis einzutreten – also eine Koalition aus ihrer Partei, der SPD und der Linken. Wenn sich „zufällig“ was Anderes durchsetzt, wird Baerbock wohl ohne Schmerzen vor Regierungspartner*innen und den Hardcore-Realos aus den eigenen Reihen einknicken. Es gibt Leute, die das völlig okay finden, ich persönlich finde es fragwürdig bis enttäuschend und strategisch unklug. Wie sollen die Unentschlossenen links von den Grünen abgeholt werden? Beziehungsweise: Wie soll denn bitte eine fortschrittliche Regierung unter Beteiligung von Union und/oder FDP aussehen? Baerbocks Agenda wird dann sofort weichgespült. Das weiß sie auch. Dennoch hält sie lieber den Ball flach, möchte keine neu rekrutierten Besserverdiener und Mitte-Papis gleich wieder vergrätzen.

Werfen wir einen Blick auf die (großen/größeren) Parteien.

Was für Laschet gilt, gilt natürlich für die gesamte CDU/CSU: für freundliche Menschen unwählbar. Wegen unterirdischer Klima-, Sozial- und Digitalpolitik, wegen Inkompetenz und Korruption, wegen Unterwanderung und/oder Duldung (extrem) rechter Kräfte, wegen Ministern wie Klöckner, Kramp-Karrenbauer, Scheuer, Seehofer, Spahn, wegen Kandidaten wie Amthor, Maaßen und Merz, die Liste ist schier endlos. Merkel erscheint im direkten Vergleich nahezu als Lichtgestalt, wobei sie natürlich 16 Jahre lang für das Gesamtelend verantwortlich zeichnete, im Zweifelsfall immer auf Appeasement getrimmt war und in ihrer letzten Bundestagsrede enorm peinliche „Rote-Socken“-Agitation betrieb.

SPD: Partner in Crime der Union, in 12 von 16 Jahren Merkel-Regentschaft stets um Burgfrieden bemüht, egal wie schaurig es wurde (s. oben) – wobei man natürlich auch ein bisschen was durchgesetzt hat (Mindestlohn und Rentengedöns, Corona-Pakete, Ehe für alle), aber eben nicht wirklich viel. Scholz war im Kabinett Merkel IV Finanzminister (hust) und Vizekanzler, Maas trifft eine substanzielle Mitschuld am Außenpolitik-Horror Afghanistan. Besonders spannend für mich: Das Umfallen vermeintlich linker GroKo-Kritiker wie Esken, Nowabo und Kühnert, die nun ebenfalls dem Scholzomaten die Stange halten. Und was war noch mal die letzte große Schlagzeile im Zusammenhang mit Svenja Schulze? Stimmt: Sie hat ein Klimaschutzministerium abgelehnt.

Zu den Grünen habe ich ein spezielles Verhältnis: Einerseits erschienen sie mir lange als größte Nemesis (weil ich 1998-2003 so maßlos von ihnen enttäuscht war; zum Glück hatte ich sie nicht gewählt). Andererseits sehe ich in den letzten 16 (bzw. 4) Jahren doch einen gewissen Wandel, eine gewisse Einsicht, solide Oppositionsarbeit, gutes Personal (Frauen, Nicht-Weißbrote), und die Chance auf ein halbwegs progressives Projekt in der Zukunft. Zuwider sind mir allerdings diverse Hippies und Esos in den Reihen der Partei sowie Gruselgestalten à la MP Kretschmann und OB Palmer. Oder die Leute, die in Hessen gemeinsam mit Volker Bouffier regieren. Das Landelistendebakel im Saarland fand ich auch abtörnend. Und dieser schreckliche Wahlkampfsong! Am verstörendsten ist aber vielleicht die Tatsache, dass das Wahlprogramm der Grünen gar nicht mal besonders grün ist (s. wissenschaftlich fundierte NGO-Kritik).

Über die FDP muss ich an dieser Stelle nicht viele Worte verlieren. Die „Liberalen“ sind v.a. wirtschaftsliberal, zunehmend rechts (Paradebeispiel: Causa Kemmerich), mysogyn und peinlich. Freiheitsrechte und humanistisch geprägter Liberalismus spielen de facto keine Rolle mehr. Hinzu kommt, dass Lindner & Crew schon 2017 keinen Bock hatten, halbwegs konstruktive Regierungsarbeit zu machen, weswegen ihnen diese dornige Chance hoffentlich auch 2021 verwehrt bleibt. Wobei SPD und Grüne im Zweifel natürlich kräftig facilitaten würden (heul).

Die AfD ist hier nur erwähnt, weil sie (leider) in den BT einziehen und eventuell sogar viert- oder drittstärkste Kraft werden wird (Schande). Die Partei ist rechtsradikaler Schmutz. Wer sie wählt, unterstützt oder verhamtlos, ist das ebenfalls. Genug gesagt.

Dann ist da noch die Linke: Die schwächste Partei im Parlament (ich erwarte ein bescheidenes, einstelliges Ergebnis) ist inzwischen v.a. sozialdemokratisch, ökologisch und digital angehaucht sowie erstaunlich divers besetzt. Das würde sie eigentlich enorm sympathisch machen, gäb’s da nicht die nervigen bis gefährlichen Anti-Imps, Antisemiten, Rassisten, Russlandkuschler, Vulgärmarxisten und Zonen-Fanboys. Klaro, diese Leute sind nicht in der Mehrheit, aber sie können viel zu oft und viel zu lange ihr Maul aufmachen. Dennoch: Im Vergleich zu den anderen größeren und großen Parteien ist das fast noch zu verschmerzen, weil es auf der anderen Seite viele kluge und reflektierte Menschen gibt, die sich auch mit scharfer Kritik in den eigenen Reihen nicht zurückhalten. Was der Partei natürlich am meisten schadet (haha). Realpolitisch wäre es wohl wünschenswert, die Linke als Juniorpartner in eine Grün-Rot-Rote-Koalition einzubinden – wo die größten Querulanten (und Spinner) dann einfach nicht mitmachen können/dürfen.

Sprechen wir etwas ausführlicher über mögliche Koalitionen: GRR scheint mir als das mit Abstand geringste Übel, wobei Baerbock als vergleichsweise junge, kosmopolitisch agierende Frau sogar eine gewisse Strahlkraft entwickeln könnte (s. Jacinda Ardern in NZ). Problem: Diese Koalition ist aktuell nicht möglich, weil die SPD (warum auch immer) weit vor den Grünen liegt und somit sicher einen Führungsanspruch geltend macht. RGR wäre tatsächlich auch noch zu ertragen – wenn es Grüne und Linke schaffen würden, dauerhaft dem Scholzomaten und anderen konservative Kräften in der SPD zu trotzen (und deren linker Flügel nicht komplett kaputt ist). Alle anderen ernsthaft denkbaren Kombis, egal ob Kenia (uah, GroKo + grüne Erfüllungsgehilfen) oder Kongo/Ampel (uah, Rot-Grün 2.0 + FDP-Schnösel) oder Belgien (uah, GroKo + Lindner Crew) oder Jamaika (echt jetzt?) oder die 99ste GroKo erscheinen mir als verhängnisvoll, da sie maximal für ein „Weiter so!“ eintreten würden – was fürchterliche Folgen für Gesellschaft und Umwelt hätte. Der Super-Gau wäre freilich eine (z.Z. zahlenmäßig knapp verfehlte) Koalition aus Union, FDP und AfD. Dieses Szenario halte ich leider nicht für komplett ausgeschlossen, da ja im Zweifelsfall der Ausbruch des Kommunismus in Deutschland verhindert werden muss und die „Brandmauer gegen Rechts“ schon jetzt schwere Risse hat.

Aber: Schauen wir einfach mal, was die Wähler*innen so machen. Wie gut ihr Langzeitgedächtnis funktioniert, wie souverän sie Wahlkampfpropaganda und Desinformation trotzen können, was ihr Gewissen ihnen sagt. Vielleicht ist eine Mehrheit wieder angetan vom Konzept „Wasser predigen, Wein trinken!“, vielleicht duldet (oder beklatscht!) sie erneut einen Haufen Klassisten, Rassisten, Sexisten, Umweltzerstörer und neoliberale Teflon-Dullis. Vielleicht geht’s aber auch zur Abwechslung noch mal ein bisschen in Richtung soziale Gerechtigkeit, freundliches Miteinander und nachhaltiger Schutz des Planeten (den wir doch echt als Lebensgrundlage brauchen).

Die Hoffnung auf politischen Fortschritt stirbt zuletzt.


Das Foto habe ich mir von Claudio Schwarz ausgeliehen (und anschließend einen SW-Filter drübergelegt).

In der ersten Version des Beitrags hatte ich bei den nicht wünschenswerten Bündnissen tatsächlich die Kongo-Koalition (Ampel) vergessen, die aktuell schon in RLP getestet wird.

31. Dezember 2020
von Alexander Plaum
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Gute Musik 2020: Album-Tipps, User Stats, Playlist des Jahres

Did you learn to make amends / With your pile of flaming shit
Gain the patience to / Deal with total idiots
Without losing your composure / Oh please, tell me how it is
I didn’t have the time

Diese erfrischenden, auf 2020 perfekt zugeschnittenen Zeilen shoutet Jeff Rosenstock gleich zu Beginn seines neuen Albums No Dream. Rausgehauen hat er es im Mai, und im Angebot sind jede Menge Rotz-Pop-Hits mit Herz und Hirn und Arsch in der Hose. Und damit kennt ihr auch schon meine Lieblingsplatte des Jahres.

Ebenfalls sehr gut (und sehr punkig): Melee, das Debütalbum der Jungspunde von Dogleg, erschienen im März 2020. Ein echtes Brett, man möchte sofort mit E-Gitarre und Dosenbiervorrat in die nächste Garage rennen.

Deutlich ruhiger geht’s bei den Psychedelic Furs zu, die mit Made of Rain nach fast zwei Dekaden (!) Pause im Juli 2020 eine unerwartet gute neue Song-Kollektion vorlegten. Wavig, düster, melancholisch und durch die Bank clever arrangiert sind die 12 Titel, von denen sich mindestens die Hälfte für Wochen und Monate in die Gehörgänge gräbt (und der Rest schafft auch was).

Bereits im Februar erschienen und äußerst fein, wenn man (wie ich) mit Country-Soul-Retro-Sound was anfangen kann: Chickaboom! von Tami Neilson. Warum ist diese coole Frau mit dieser coolen Stimme und diesen Hits im Gepäck nicht berühmt? Die Welt ist so ungerecht!

Immerhin gibt’s inzwischen relativ viel Aufmerksamkeit für Nubya Garcia, die im August mit Source ihr zweites Album veröffentlichte, ein nicht immer leicht konsumerabler, aber insgesamt doch fantastischer Avantgarde-Jazz-Cocktail, in den u.a. diverse Shotgläser Calypso, Dub, Electronica, Reggae und Soul reingemixt wurden. Mag ich auch sehr gerne.

Ende November kam mit A Very Chilly Christmas von Chilly Gonzales zudem ein gediegenes (und weitgehend kitschfreies) Piano-Weihnachtsalbum auf den Plattenteller, dass imho das Zeug zum zeitlosen Klassiker hat.

Ich könnte jetzt noch auf viele weitere Neuerscheinungen nennen, die ich als hörenswert einstufe, aber erstens muss ich gleich mit dem Silvestermenü anfangen und zweitens sind wir hier nicht bei Pitchfork. Deswegen nur noch ein paar Zahlen/Infos, die sich auf mein digitales Hörverhalten bei Spotify beziehen (bevor wir dann zur oben angekündigten Playlist kommen):

Laut bereinigter Statistik* habe ich mir 2020 seeeeehr viele Stunden seeeeehr viel Musik von mehr als 750 Künstler*innen reingezogen. Ca. 200 davon waren Neu- oder Wiederentdeckungen (2019 nicht gehört). Die von mir favorisierte Musik lässt sich in 300+ (what?!) Genres und Subgenres einteilen, wobei die meisten Tracks im Zweifel irgendwas mit Punk, Rock, Indie, Jazz oder Soul zu tun haben – was mich jetzt nicht überrascht. Gemessen an den Zahlen bleibe ich ein eklektizistischer Heavy User und sollte fairerweise nicht davon ausgehen, dass das von mir mitgeschnittene Material allgemein bekannt bzw. beliebt ist. 

Und jetzt: die Playlist! Gestrafft auf 35 englischsprachige bzw. instrumentale Tracks, die ich in erster Linie nach diesen Kriterien rausgesucht habe: Catchy, relevant, hörbar – und nicht zu lang. Viel Spaß damit.

*Den von der Lütten konsumierten Content zähle ich nicht, und der Titelsong von „Der kleine Hui Buh“ ist auch nicht wirklich mein Heavy-Rotation-Hit des Jahres. 🙂

29. Dezember 2020
von Alexander Plaum
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2020: Ein persönlicher Jahresrückblick von A bis Z

Die vergangenen 12 Monate waren ausgesprochen heftig, nicht nur wegen der Pandemie und ihrer Folgen. Aber es gab auch positive oder zumindest interessante Entwicklungen, die ich hier einfach mal festhalten möchte. Nicht zuletzt, um diesem alten Blog neues Leben einzuhauchen. Also schnappt euch einen Drink – und lest meinen persönlich gefärbten, stark eingedampften und alphabetisch sortierten Rückblick auf 2020.

A wie der erste Buchstabe des Vornamens meiner Tochter.

Den habe ich bislang noch nirgends ins Netz geschrieben – und das soll auch erst mal so  bleiben. Dennoch möchte ich hier zuallererst von der Lütten erzählen, die diesen Sommer fünf geworden und ein ganz fantastisches Mädchen ist. Liebevoll und lustig, frech und schlau, empathisch und rücksichtsvoll. Selten anstrengend, dann aber so richtig (hihi). Mit A. kann ich ganz viele wunderbare Dinge tun: Quatschen, kramen, lesen, kuscheln, malen, basteln, Türmchen bauen, vegetarische Köstlichkeiten kochen, Brettspiele zocken und Second-Hand-Klamotten kaufen. Für längere Wanderungen und Fahrradtouren ist sie inzwischen auch zu haben – es ist eine wahre Freude. Ganz besonders mag ich unsere (inzwischen leider stark eingeschränkten) Treffen mit Freund*innen und Verwandten in Aachen, Köln und Bonn. Außerdem natürlich die Ausflüge auf Flohmärkte, bei denen im großen Stil Bücher, Hörspiele und Legosteine akquiriert werden. Liebe A., wenn du das hier später liest: Jede Minute mit dir ist ein großes Geschenk. Du bist mein mit Abstand bestes Projekt aller Zeiten.

B wie Berlin.

Es ist keine allzu große Sache, und ich klage auf hohem Niveau, aber: Ich vermisse die Stadt an der Spree, die seit fast 20 Jahren meine zweite Heimat ist. Ich vermisse meine Freund*innen dort. Und natürlich das Arbeiten und den direkten Austausch mit Kolleg*innen in der Voltastaße. Die Pandemie (s. nächster Buchstabe) hat die Reisen in die Hauptstadt auf NULL reduziert. Ich hoffe, dass ich 2021 (oder 2022?) da weitermachen kann, wo ich Ende 2019 aufgehört habe.

C wie Corona.

Die Virus-Krise ist eine krasse Angelegenheit, über die ich hier kaum etwas Neues und Kluges schreiben kann. Fürs persönliche Log muss ich allerdings festhalten: Die Zeiten ohne Kita und Familienbesuche waren bzw. sind hart. Der Alltag im Schlafzimmerbüro kann sehr anstrengend sein. Jedoch: Wir stehen vergleichsweise privilegiert da. Meine Frau und ich (s. Buchstabe H.) wohnen mit einem wunderbaren Mädchen zusammen (s. Buchstabe A), haben ein gutes Leben, einen interessanten, relativ sicheren Job, keine Geldsorgen und ausreichend Möglichkeiten, schöne Dinge zu tun. Das ist erstaunlich und nicht selbstverständlich. Gleichzeitig fällt mir des Öfteren die Decke auf den Kopf. Von den „Weight of the world“-Sorgen mal ganz abgesehen.

D wie DW Innovation.

Wer hätte gedacht, dass der ruhelose Plaumski mal in einem Job richtig ankommt? Wenn die Inhalte konstant spannend, die Bezahlung fair und das Team großartig ist, kann das durchaus passieren (großer Smiley). Anfang Dezember waren dann tatsächlich schon 4 Jahre bei den ReCos rum – und es scheint, als hätte ich von Projektmanagement und Kommunikation in Sachen Technology for Journalism noch lange nicht genug. Über die neueste Innovation Action (heißt wirklich so), an der ich beteiligt bin, könnt ihr unter Buchstabe X mehr lesen. Schwerpunktthemen waren ansonsten Media & Information Literacy bzw. Verifikation (mehr dazu hier und hier sowie unter Buchstabe E). Und falls ihr einen meiner neueren Blog-Posts aus dem DW-Innovation-Universum lesen wollt, empfehle ich: Fighting the infodemic, one game at a time.

E wie Explosion in Beirut.

Während die sozialen Medien voller Spekulationen und Bullshit waren, konnte das investigative Recherchenetzwerk Bellingcat wenige Stunden nach der Katastrophe eine beeindruckende Erst-Analyse publizieren, die ich hier einfach noch mal verlinke. Dieses OSINT-Zeug ist schon faszinierend. Und ich freue mich, darüber 2020 eine ganze Menge mehr gelernt zu haben.

F wie Fahrrad.

Seit Sommer 2020 bin ich stolzer Besitzer eines neuen, schicken und sehr komfortablen Trekking-Bikes. Das war überfällig. Wichtigste Erkenntnis für mich nach Inbetriebnahme des neuen Vehikels: Wenn der Rahmen ausreichend groß, der Sattel optimal eingestellt und die Gangschaltung hochwertig ist, kann man 25km einfach mal so wegballern, quasi in einer verlängerten Mittagspause. Und anschließend ist man ziemlich gut drauf! Da fällt mir ein: 2020 war auch das Jahr, in dem ich den Bonner Radentscheid sowie die hiesige Critical Mass ein wenig unterstützen konnte – was mir ebenfalls ein gutes Gefühl gibt. Und wo wir schon bei Umwelt und Nachhaltig und beim Buchstaben F sind: Fridays for Future ist natürlich auch eine Bewegung, die ich dieses Jahr groß auf dem Radar hatte, und deren Forderungen jeder halbwegs zivilisierte Mensch gefälligst mittragen sollte. Über die Klimakatastrophe muss ich hier jetzt nicht groß referieren, oder?

G wie Gesundheit.

Bekanntlich das Wichtigste überhaupt, vor allem in Zeiten einer globalen Krise. Während um mich herum einige liebe Menschen hart gebeutelt waren und z.T. in Lebensgefahr schwebten, ging’s mir persönlich im Krisenjahr ziemlich gut: Nervige Allergien und in der Vergangenheit heftige Atemwegserkrankungen kaum existent (ausgerechnet!). Neurodermitis auf niedrigsten Level. Und auch der eher gebeutelte Rücken hat (trotz des eingeschränkten Sportprogramms) alles brav mitgemacht. Ich bin sehr dankbar!

H wie Hochzeit.

Für alle, die’s noch nicht wissen: Ende August haben Frau K. und ich offiziell „ja“ gesagt. Im ganz kleinen Kreis (ohne Mama, Onkel, Schwippschwägerin & Co., die zum Teil noch heute leicht verstimmt sind), aber mit ganz viel Entschlossenheit und leckerem Schaumwein. Heiraten sucks – ich weiß – aber nach mehr als einer Dekade Intensivbeziehung (viele Höhen, wenige Tiefen, fünf Wohnungen in fünf Städten und zwei Ländern) war das irgendwie richtig. Außerdem ist nun endlich das Problem mit den Krankenhausbesuchen und der Rente geklärt. <- Frau K. findet solche Kommentare unromantisch

I wie Impfstoff.

Was die internationale Wissenschaftscommunity dieses Jahr gewuppt hat, verdient großen Respekt. Was Big Pharma und Politik aus den Corona-Vakzinen machen, ist ein ganz anderes Thema. Auch ich bin der Ansicht, dass das globale Menschenrecht auf Gesundheit über dem Schutz geistiger Eigentumsrechte stehen sollte (s. u.a. dieses Statement vom ECCHR). Ansonsten wundere ich mich über das Planungsdesaster von EU und Bundesregierung bei der Impfstoffbeschaffung. Wer sich als Mensch aus Köln (bzw. einer Großstadt mit ähnlicher Gesundheitslogistik) fragt, wann er/sie denn nun geimpft wird, erhält auf dieser interaktiven KSta-Seite eine möglicherweise ernüchternde Antwort.

J wie Juli.

Selten habe ich einen Urlaub so genossen wie unseren Trip an die Ostsee im Sommer. Bevor jemand schreit: Wir haben uns in einem Kaff zwischen Lübeck und Wismar einquartiert, andere Menschen weitgehend gemieden, stets Masken getragen und ganz viel Meeresluft ein- und ausgeatmet. Der Urlaub war nicht zuletzt deswegen so schön, weil alle Auszeiten davor und danach ausfallen mussten. Und weil in einem verrückten Jahr für ein paar Wochen alles ziemlich entspannt und idyllisch erschien – wobei mich kleine Zwischenfälle (wie die Begegnung mit unfassbar dämlichen Touris aus Sachsen in einem Hotel in Kühlungsborn) immer wieder hart auf den Boden gesellschaftlicher Realitäten zurückgeholt haben. Ich könnte auch noch was über West-Preise und Ost-Service schreiben, aber das lass ich jetzt einfach mal.

K wie Kommunalpolitik.

Manchmal können auch auf lokaler Ebene entscheidende Weichen gestellt werden, weswegen ich mich freue, dass in meiner Heimatstadt (Aachen), meiner neuen Wahlheimat (Bonn) und der (mir ebenfalls nicht unbekannten) Bergischen Mini-Metropole Wuppertal nun grüne Chef*innen das demokratische Zepter schwingen. Ich bin kein großer Fan der Ökoliberalen, aber die Sozen und Unionsleute haben über Dekaden ja nun überhaupt nicht geliefert (und linke OBs in westdeutschen Großstädten scheinen leider weiterhin nicht mehrheitsfähig zu sein). Deswegen ein verhaltenes „yay“. Hallo Sibylle Keupen, Katja Dörner, Uwe Schneidewind: Verbockt die Sache bitte nicht. Macht eure Stadt sozialer, gerechter, inklusiver, nachhaltiger – kümmert euch um die Zukunft.

L wie Lektüremarathon.

Mit ein bisschen Zufriedenheit stelle ich fest, dass ich dieses Jahr (neben sehr vielen Artikeln im Netz) immerhin 18 Bücher bzw. mehr als 5000 Buchseiten gelesen habe (9x Belletristik, 9x Sachbuch) – soviel wie schon lange nicht mehr. Das ist für Nerd-Literaten natürlich kein außerordentlicher Rekord, aber für einen Erwerbstätigen mit verstreuter Familie und Nachwuchs und zig Verpflichtungen und Herausforderungen im Alltag definitiv okay. Ich fühle mich jetzt über diverse Themen (z.B. Feminismus, Migration, Klimawandel, Digitalisierung, KI) besser und tiefer informiert – und habe nebenbei ein paar tolle Geschichten erzählt bekommen. Außerdem stelle ich fest: Bücher bingen ist besser als stundenlang Serien bei Netflix glotzen. Totholzmedien können erstaunlich immersiv sein. Und: Je mehr man liest, desto besser und schneller kann man Informationen aufnehmen. Persönliche Bestleistung: Ein von A bis Z verarbeitetes Buch in ca. 3,5 Stunden. Abschließend noch der Hinweis, dass Gespräche mit schlauen, geschmackssicheren Buchhändler*innen (eine aussterbende Art?) für ganz besondere Glücksmomente sorgen können.

M wie Mein Nachbar Totoro.

Die kursive Schrift verrät es bereits: Es handelt sich nicht um einen Hausmitbewohner. Sondern um den (von mir neu entdeckten) Anime-Klassiker. Hayao Myazaki. Studio Gibli. Ein Film aus einer anderen Ära, der damals (1988) bereits eine gut 30 Jahre alte Geschichte erzählte – die mich noch heute ein bisschen glücklich macht. Das kleine Mädchen und die Waldgeister. Irgendwie schön, beruhigend, zeitlos.

N wie Naherholung.

Wegen der Pandemie war auch ich gezwungen, mehr Ausflüge direkt vor der Haustür (also in der Region Köln-Bonn) zu unternehmen. Zum Glück gab’s und gibt’s da sehr gute Optionen. Zum Beispiel die Mondorfer Fähre, das Oberkasseler Ufer und die Waldau in Bonn. Den Heider Bergsee in Brühl. Die Schlösser in Erftstadt. Die Stadt Blankenberg und die Sieg in Hennef. Den Drachenfels, den Stenzelberg und das Kloster Heisterbach in Königswinter. Die Insel Grafenwerth in Bad Honnef. Oder das immer wieder faszinierende Ahrtal. Warum in die Ferne schweifen…

O wie O’Reilly Verlag.

Noch so ein Laden, der mir (seit 2011) wichtig ist – und das Krisenjahr (als Teil der Heise Gruppe) zum Glück recht gut überstanden hat. Das ist nicht zuletzt deswegen erfreulich, weil ich dann weiterhin Texte und Marketing-Ideen gegen Euros tauschen kann. 🙂 Kudos an dieser Stelle an Kollegin Corina Pahrmann (Chefkommunikatorin O’Reilly DE), mit der sich mich sowohl privat als auch beruflich immer wieder wunderbar austauschen konnte. Falls ihr halbwegs aktuelle O’Reilly-Posts von mir lesen wollt, würde ich den hier und den hier empfehlen (es geht um Dataviz und um weniger schlechte Telearbeit). Bücher bestellen dürft ihr natürlich auch.

P wie Polizeiproblem.

Dass Deutschland (wie sehr viele Länder) ein erhebliches Polizeiproblem hat, fiel mir nicht etwa 2020, sondern schon in den 90er Jahren auf. Dort konnte ich zum ersten Mal beobachten, wie EHU-Cops ein harmloses Punk-Mädchen von einem Zaun runterprügelten – sie wollte einfach nur abhauen – während nebenan Nazis mit ausgestrecktem Arm marschierten. In den 00er Jahren bekam ich u.a. mit, wie ein Polizist seine Dienstwaffe zog, weil (meiner Einschätzung nach eher harmlose) Aktivist*innen ein bestimmtes Privatgelände besetzen wollten. Davor und danach wurde ich noch Zeuge einer besonders entwürdigenden Abschiebe-Aktion (an Bord eines Fliegers nach Westafrika), und immer wieder hörte ich von Freunden und Bekannten, wie sie als POC rassistisch kontrolliert und/oder vollgelabert wurden. Die hammerharten Fälle – Oury Jalloh, NSU, NSU 2.0 etc. – verfolgte ich hauptsächlich in den Medien. Bevor ich den Faden verliere: Ich höre 2020 nicht zum ersten Mal von Polizisten, die auf dem rechten Auge blind bzw. rechtsoffen, rechtsradikal, extrem unprofessionell oder einfach nur menschlich total daneben sind. Aber ich beobachte zum ersten Mal, dass dieses Thema quer durch den Gemüsegarten und nahezu flächendeckend diskutiert wird (was auch mit George Floyd und den Protesten in den USA zu tun hat). Beim WDR stieß ich vor kurzem eher zufällig auf die Themenseite (!) Rechtsextremismus bei der Polizei NRW. Und das gibt mir doch ein bisschen Hoffnung. Denn: ein Problem, das für alle ganz offen zu Tage liegt, kann nicht mehr so einfach weggewischt werden. Auch wenn Reul und Seehofer und wie sie heißen das immer wieder gerne versuchen. Bevor ihr übrigens ACAB! shoutet und bis Jahresende nur noch Crust-Platten hört: Lest mal dieses Interview mit Oliver von Dobrowolski.

Q wie Querfront.

Pandemiebedingt gab’s 2020 auch einen neuen Querfront-Boom, der mich nachhaltig schockiert hat. Und zwar vor allem, weil mich regelmäßig die Newsletter einer Person aus dem erweiterten Freundeskreis erreichten, in denen unfassbarer Müll zu lesen war (den ich hier nicht zitieren werde). Alle verwirrten Menschen da draußen, die 2019 noch zu halbwegs normalen, nachvollziehbaren Statements fähig waren, möchte ich mit einem letzten Funken Hoffnung fragen: Glaubt ihr wirklich, dass wir in einer Diktatur leben? Dass ihr Sophie Scholl seid? Dass die Corona-Auflagen die Menschenwürde verletzen? Dass es eigentlich keine Pandemie und keine Krise gibt? Dass die Verschwörungsmythen und Hasstiraden verirrter Popsänger und Veggie-Köche Teil des demokratischen Meinungsspektrums sein sollten? Was hat euch bloß so ruiniert? Den Rest der sog. „Corona-Kritiker“ möcht ich lediglich ausgrenzen, auslachen und möglicherweise mit faulen Tomaten bewerfen.

R wie Retrospektive.

Das hier wird doch ganz schön lang. Pardon. Seid ihr noch da?

S wie Seenotrettung.

Während die offizielle EU weiter ihre Außengrenzen abschottet, Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt und an illegalen Pushbacks beteiligt ist (Friedensnobelpreisträger, LOL), hat immerhin die Zivilgesellschaft noch nicht komplett versagt. Auch 2020 waren wieder viele NGO-Aktivist*innen unterwegs, um Geflüchtete aus Seenot zu retten. Einen sehr guten Longread dazu gibt es hier bei der SZ. P.S.: Man kann diesen Organisationen auch Geld spenden; gerade jetzt, kurz nach Weihnachten.

T wie Thüringen.

Falls ihr en Detail vergessen habt, was während der Regierungskrise in Erfurt im Februar passiert ist, könnt ihr das u.a. hier nachlesen. Ich wollte vor allen Dingen noch mal zum Ausdruck bringen, wie unfassbar schäbig und gefährlich ich das Verhalten von FDP und CDU fand. Würg. Thomas Kemmerich („Endlich eine Glatze, die in Geschichte aufgepasst hat“, ROFL) hat sich durch seinen widerlichen Move dann auch gleich einen Top-Platz auf meiner persönlichen Liste miserabler Politiker aus Aachen gesichert – noch deutlich vor Armin Laschet. Auf die von Kemmerich & Co. hofierte AfD und Nazi-Höcke will ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen, empfehle aber gerne noch mal das wirklich gute (und tatsächlich in diesem Blog besprochene) Buch „Deutschland rechts außen“ des Thüringer Soziologen Matthias Quent.

U wie Umzug.

Rückblickend weiß ich nicht mehr genau, wie wir die Aktion auf die Kette bekommen haben und wo es noch Energiereserven gab, aber: Wir haben tatsächlich – Ende April, mitten in der Hochphase der ersten Corona-Welle – unser Haus in Königswinter verlassen, um eine Wohnung in Bonn zu beziehen. Weil wir mussten. Nicht wegen geplatzter Kredite. Sondern wegen des starken Wunsches, nicht länger Teil eines Wohnprojekts zu sein, das (inzwischen) mehrheitlich aus Menschen mit fragwürdigen Charakterzügen besteht – um es freundlich auszudrücken. Trau – schau wem! Der Wegfall des (nun *wah* kernsanierten) Eigenheims und – schlimmer – der Wegfall einer Vision von Gemeinschaft, für die man sich immer wieder intensiv eingesetzt hat: Diese Verluste hauen rein. Aber, um es mit mit Schiller zu sagen: „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.“ Und tatsächlich: das Leben geht weiter. Und es ist (wieder) schön. Failing forward, baby!

V wie Vinyl.

Wegen Buchstabe C hatte ich dieses Jahr fast keine Kulturausgaben und konnte deswegen trotz Buchstabe U ein paar Penunzen zusammenhalten, um in mein Lieblingshobby zu investieren, sprich: in meine Plattensammlung. 2020 war ein guter Musikjahrgang, auch wenn (oder weil?) viele Künster*innen ordentlich zu kämpfen hatten (kauft ihnen Tonträger, T-Shirts und Streaming-Tickets ab, Leute!). Was genau ich erworben und gehört habe, erzähle ich in Kürze in einem anderen Post – und packe noch eine umfangreiche Playlist dazu. Versprochen!

W wie Wahlniederlage.

Auch wenn die Welt weiterhin ein Jammertal ist:  Ein deutliches Gefühl der Erleichterung habe ich verspürt, als Mitte/Ende November Folgendes feststand, dass Trump a) keine zweite Amtszeit bekommt und b) trotz harter Propagandamaschine nicht zu einem Coup d’État fähig ist. Puh. Glück gehabt. Anlass zur Freude gibt’s freilich nicht. Denn: Die US-Demokratie ist hart angeschlagen. Mehr als 74 Millionen Amerikaner*innen haben einen Protofaschisten und Con-Man gewählt. Die Social-Media-Lügenmaschinerie ist nahezu außer Kontrolle. Und an der Spitze des Landes steht nun kein progressives Politiker-Duo, sondern der neoliberale Establishment-Opi Joe Biden und Kamala The Cop.

X wie XR4DRAMA.

So heißt das neueste Forschungsprojekt, an dem ich via Buchstabe D beteiligt bin. Hier dreht sich alles um erweiterte Realität und Situationsbewusstsein bzw. Katastrophenmanagement und Medienproduktionsplanung. Wer mehr wissen möchte, kann ich gerne die (von mir maßgeblich mitgebastelte) Website anschauen.

Y wie Yellow Submarine.

Anfang des Jahres streikte der Plattenspieler meiner Partnerin. Woraufhin ich ihr kurzentschlossen meinen vermachte – um mich anschließend auf die Suche nach einem neuen Player zu begeben. Nach wenigen Tagen wurde ich in Bonn fündig: Zum Schnäppchenpreis konnte ich dieses wunderprächtige Gerät in Beatles-Uboot-Form ergattern. Buchstabe V freut sich.

Z wie Zooanthroponose.

Ein kompliziertes Wort, das ich Ende 2019 noch nicht kannte.

29. Dezember 2019
von Alexander Plaum
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Immer noch die Musik (Hits 2019)

Wenn da jemand ist, der dich unterkriegt
Und der Regen keinen Bogen biegt
Ist da immer noch, immer noch die Musik

dichtet Niels Frevert ein bisschen unsauber, aber doch ganz wunderbar im Opener seines neuen Albums Putzlicht – für mich die deutschsprachige Pop-Platte des Jahres und ein wichtiger Begleiter durch einige persönliche Stress- und Weltschmerzphasen. Wenn ihr das Album noch nicht kennt: Hört unbedingt rein. Selten gibt’s so viel gediegen arrangierte Melancholie und Feel-Good-Fatalismus mit Ohrwurmcharakter auf so engem Raum (Video-Single-Links: Immer noch die Musik, Als Könnte Man Die Sterne Berühren, Putzlicht).

Hier geht’s nun allerdings weiter mit internationalen Hits (auf Englisch bzw. instrumental), die einen starken Punk-/Indie-/Alternative-Bezug haben, aber auch diverse andere Genres (Bluegrass, Folk, Jazz, Prog, R&B) abdecken. Ich hatte ja schon gesagt, dass ich im Alter immer offener für Ausflüge quer durch den Gemüsegarten der Musik werde.

Apropos Alter: Ich bin vor kurzem 42 geworden („the answer to the ultimate question of life, the universe, and everything“), und deswegen gibt’s hier nun auch 42 Songs, die allesamt dieses Jahr erschienen sind, alphabetisch sortiert nach Bandnamen. Ich hoffe, dass euch die Playlist gefällt:

19. September 2019
von Alexander Plaum
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Buchempfehlung: Deutschland rechts außen

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Halten wir’s möglichst kurz: Deutschland rechts außen. Wie die Rechten nach der Macht greifen, und wie wir sie stoppen können – Autor: Matthias Quent – ist ein sehr gutes und sehr wichtiges Buch. So gut und so wichtig, dass ich mich tatsächlich noch mal aufgerafft habe, einen privaten Blogpost zu schreiben.

Alle Menschen, die rassistische, antisemitische, antimoderne und reaktionäre Umtriebe in Deutschland (noch mal) in Gänze nachvollziehen wollen – um sie anschließend besser bekämpfen zu können – sollten Quents Betrachtungen und Analysen dringend lesen.

Matthias Quent, Thüringer, Jahrgang 1986, promovierter Sozialwissenschaftler und Direktor des IDZ (Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft) hat die ganze Rechtsaußen-Buchstabensuppe effektiv und gut lesbar auf 300 Seiten eingedampft: AfD, Identitäre, NPD, Pegida, Reichsbürger. „Besorgte Bürger“ und Nazi-Trolle im Netz. NSU und rassistischer Terror. Neue und alte Faschisten. Kollaborateure diverser Marschrichtungen. Was macht sie aus? Welche Strategien verfolgen sie?

Im Mittelpunkt von Quents Analyse steht dabei natürlich die sogenannte „Alternative für Deutschland“, die zum mit Abstand größten Sammelbecken völkisch-nationalistischer Akteure geworden ist. Sie sitzt in sämtlichen Landtagen und stellt mit derzeit 91 Abgeordneten die drittgrößte Fraktion im Bundestag. Wie konnte es soweit kommen? Und wie wird man diese hochgefährliche Partei wieder los?

Zunächst einmal gilt es wohl, unangenehme Fakten anzuerkennen. Ohne Besserwisserattitüde, dafür mit vielen Zahlen, Studien und Zitaten im Gepäck weist Quent darauf hin, dass die Rechtsaußen-Fraktion in Deutschland eigentlich nie weg war. Dass sie immer wieder von der Mitte der Gesellschaft hofiert wird. Dass sie ein gesamtdeutsches Problem darstellt, nicht bloß ein ostdeutsches. Und dass sie in einer ingesamt (zum Glück) liberaleren, bunteren, stark veränderten Republik leider gut funktioniert. Weil zum Beispiel ehemals automatisch priviligierte Milieus um ihren Status fürchten (Stichwort: Opferrolle). Oder weil weniger aufgeklärte Menschen diffuse Ängste entwickelt haben. Aus dieser Gemengelage lässt sich sich prima braunes Kapital schlagen – wenn Politik und Zivilgesellschaft es zulassen.

Das größte Verdienst des Buches liegt (neben der kompakten Zusammenfassung des rechten Status Quo) darin, dass Quent einerseits kein Schönwetterantifaschist ist und stets den Finger in die Wunde legt: Die Rechten sind auch deswegen so stark, weil sich sich die bürgerliche „Mitte“ von ihnen treiben lässt, weil sie sich nicht abgrenzt, weil sie zum Teil überläuft, weil ignorante Journalist*innen den neuen Nazis viel zu oft ein Podium bieten oder falsches Verständnis für rechte Wähler*innen zeigen („naive Demokraten, die sich in der Politik und in den Medien an der Normalisierung des Rechtsradikalismus beteiligen“ MQ). Der Hufeisen-Theorie kann der Autor auch nichts abgewinnen. Gespräche mit Rechten hält er – außer zu Forschungszwecken – für sinnlos (was er im Unterkapitel „Die Grenzen des Diskurses“ sehr gut begründet).

Andererseits verfällt Quent an keiner Stelle in anstrengende Positionen à la „libertär-queer-feministischer Kommunismus oder Barbarei!“ (kein Buchzitat). Er glaubt an die Zivilgesellschaft und ans Grundgesetz, er glaubt daran, dass es konservative Demokraten gibt, die keinen Bock auf Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus haben. Er lässt ein freundlich-demokratisches „wir“ gelten. Er sagt: #wirsindmehr – aber leider nicht überall. Er lobt die Fridays-for-Future-Bewegung, die er „programmatisch und soziokulturell“ als „Gegenpol zu den ‚Montags-in-die-Vergangenheit‘-Aufmärschen in Dresden“ sieht.

Immer wieder argumentiert Quent, dass auch linke Akteure nicht in Kulturpessimismus verfallen und diffuse Untergangsängste schüren, sondern lieber unbeirrt progressive Forderungen stellen und gesellschaftliche Errungenschaften ins Gedächtnis rufen sollten. Zudem warnt der Autor davor, der Rechtsaußenfraktion bei (enorm wichtigen) ökonomischen und ökologischen Diskussionen Einfallstore zu öffnen (Stichwörter: Rechte Kapitalismuskritik, völkische Umweltideologie).

Quents Vision einer fortschrittlichen Gesellschaft lässt sich ungefähr so zusammenfassen: „Anerkennung von Gleichberechtigung, Diversität, humanistischer Universalismus und Legitimität von Interessenkonflikten.“ (MQ). Sowie: Kategorische Ausgrenzung und Ächtung von Menschenfeinden. Damit kann ich mich gut anfreunden.

Dass Quent über street credibility verfügt, erfahren die Leser*innen von Deutschland rechts außen schon im Vorwort: „Als ich das erste Mal von Neonazis überfallen wurde, war ich gerade vierzehn geworden“ (MQ). Hier schreibt jemand, dem Antifaschismus schon lange ein persönliches Anliegen ist.

Also: Wenn Ihr 18 Euro übrig habt (über den Verkaufspreis macht der Autor selbst gerne Witze), kauft euch ein Exemplar von Deutschland rechts außen. Und verschenkt es (nach der Lektüre) an die linke, grüne, sozialdemokratische, liberale oder konservative Nachbarschaft.

„Wir müssen die Stärken und Schwächen der radikalen Rechten kennen, ihre Strategien und Mechanismen der Mobilisierung. Wenn wir nicht mehr auf ihr Kalkül hereinfallen und dem rückwärtsgewandten Hass optimistische Solidarität entgegenstellen, dann können wir sie stoppen.“ (MQ)


Matthias Quent: Deutschland rechts außen
Piper | 304 Seiten | 18 Euro (Print) bzw. 15.99 (Ebook)
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